Es war noch ganz am Anfang unseres FFJ, als wir uns zusammengesetzt haben, um uns über grundlegende Werte zu verständigen, die wir miteinander teilen und die uns im Umgang mit unserer Mitwelt wichtig sind. Es sind dabei viele schöne und wichtige Stichworte auf einem großen Plakat festgehalten worden, und wenn ich so darüber gucke, finde ich vieles, was in mir resoniert. Lustigerweise sind wir in diesem Prozess beim Sammeln stehen geblieben und sind bisher noch nicht in den Dialog darüber gegangen – und es scheint mir auch gar nicht so dringlich zu sein. Hier und jetzt möchte ich über einen winzigen Aspekt dieser riesigen Sammlung eingehen: Dankbarkeit. Man mag sich fragen, was das für ein Wert sein soll. Ich habe mich das gefragt. Dies ist der Versuch einer Antwort.
Ich liege in einer Scheune im obersten Stockwerk, und die herbstfrische Novemberluft macht es gemütlich, unter mehreren Bettdecken zu liegen. Noch ein paar Minuten zuvor war der Flur im Erdgeschoss voller Leben, als kistenweise gerettete Lebensmittel abgestellt wurden und den Daheimgebliebenen vom nächtlichen Abenteuer berichtet wurde. Die Situation klingt noch in mir nach, als ich so daliege und den Tag Revue passieren lasse.
Heute Morgen bin ich in Katerstimmung aufgewacht, da mein erster Gedanke der Ankündigung eines Menschen am Vortag galt, die Gemeinschaft um die K20 zu verlassen. Das Plenum, das in der Folge an diesem Morgen stattfand, war nicht im eigentlichen Sinne schön, da es lauter Dinge offenbarte, die bisher nicht gut liefen. Und doch lag auch etwas Ermutigendes, Hoffnungsvolles darin, wie es dank der tollen Menschen, die daran teilgenommen haben, trotzdem zum Austausch kam. In diesen dümmsten Fällen erfahren wir erst hinterher von unseren Fehlern, unserer Verletzlichkeit und unseren Schwächen. Aber gleichzeitig akzeptieren, verstehen, lernen, verzeihen wir. Nicht heute. Und vielleicht auch nicht morgen. Aber der erste Schritt ist doch getan.
Ich habe mir heute für drei Dinge bewusst Zeit genommen: Einen Ingwertee kochen, zur Apotheke fahren und einen Brief abschicken. Ich müsste unzufrieden mit mir sein, weil ich so wenig hinbekommen habe. Aber wie könnte ich? Drei liebe Menschen bieten mir an, spontan bei ihrer Fortbildung zum Thema Digitalisierung teilzunehmen. Wir wollen in den nächsten Wochen unser eigenes Bildungskollektiv gründen. Ein anderer lieber Mensch sagt mir andauernd, wie schön es ist, dass ich wieder da bin. Wir waren vor einiger Zeit gemeinsam im Regen schwimmen und das Bergsee-Wasser hatte feine Härchen auf unserer Haut hinterlassen. Eine Gruppe lieber Menschen lädt mich in ihre abendliche Spielerunde ein. Wir kennen uns seit drei Monaten und ich fühle mich doch zu Hause.
Mein Hals tut weh und ich habe heute festgestellt, dass mein Fahrrad in meiner Abwesenheit fahruntüchtig geworden ist. Ich glaube, ich würde beides vergessen, wenn ich es nicht gerade aufschreiben würde. Im Bett neben mir liest ein lieber Mensch und ein sanfter Luftzug sagt mir, dass ich jetzt einschlafen darf. Ich möchte keinen der lustigen, aufregenden, traurigen, politischen und liebevollen Momente missen, die ich heute erlebt habe.
Ich bin nicht dankbar, weil mir kein Mist passiert. Ich bin dankbar, weil ich trotzdem die Rosen sehe.